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Fair trade im Kunsthandel:
Traum und Wirklichkeit
Träumen wir nicht alle von einer gerechten Welt, in der jeder geachtet und gewürdigt wird? Erschafft nicht jeder
einzelne von uns jeden Tag aufs neue Wirklichkeit? Verwirklichen wir Träume oder verwirklichen wir Alpträume?
Die Wirklichkeit: 2012 kam ein Werk von
Edvard Munch
, Der Schrei, für 119.900.000 USD,
also ungefähr 107.690.000 € bei Sotheby's in New York unter den Hammer. Dies ist bisher, 2015, der höchste Preis,
der jemals für ein Kunstwerk bezahlt wurde.
Edvard Munch
hatte ein umfangreiches und viel bewundertes Lebenswerk erschaffen. Gleich
in vier Variationen kreierte er den Schrei. Es war sein Lebensthema schlechthin. Aufgrund tragischer
Familienereignisse war er zeit seines Lebens manisch-depressiv, in späteren Jahren auch alkoholsüchtig.
Nachdem sein künstlerisches Talent erkannt worden war, erhielt
Edvard Munch
als junger
Künstler ein dreijähriges Arbeitsstipendium vom norwegischen Staat. Er nutzte dieses, um sich im damaligen hot
spot der Kunstszene, Paris, weiterzubilden. Die dort entstandenen Werke bildeteten die Grundlage seiner späteren
Karriere.
In seinem Testament hatte
Edvard Munch
sein Lebenswerk seiner Heimatstadt Oslo vermacht.
Damit gab er der norwegischen Allgemeinheit ein Vielfaches dessen zurück, was er selbst zuvor erhalten hatte.
Edvard Munch
war sich seiner sozialen Verantwortung offensichtlich bewußt.
Edvard Munch
hatte sich
fair
verhalten. Wie sieht es mit den Händlern
seines berühmtesten Werkes aus?
Fair trade im Kunsthandel
? 107.690.000 € für ein einziges
Werk? Gibt es hier überhaupt noch eine Schamgrenze?
Offenbar nicht. Doch lamentieren über diese Wirklichkeit ändert nichts an ihr. Die Vergangenheit steht unverrückbar
hinter uns und ist nicht mehr zu ändern. Die Zukunft steht ungewiß vor uns und wird noch gestaltet. In der Gegenwart
entscheiden wir, ob wir einen schönen Traum oder einen Alptraum gestalten.
Bei solchen Auktionen geht es schon lange nicht mehr um Kunst, auch wenn es Kunst ist, die verhökert wird. Hier
geht es nur noch darum, die Gier der Profiteure zu bedienen. Überlassen wir die an diesem und ähnlichen Deals
beteiligten Verantwortlichen getrost ihrem Karma und widmen uns der Erschaffung einer besseren Wirklichkeit.
Wie könnte diese aussehen?
Kunstsammler
, die das Alphabet der Ethik gelernt haben, werden
sich von derartigen Deals sicher komplett fernhalten. Zwar hielt sich der Käufer des Schreis auch fern, denn er
versteckte sich in der Anonymität und bot vom Telefon aus. Gemeint ist natürlich, sich an solchen Veranstaltungen
überhaupt nicht zu beteiligen.
Laßt uns träumen: Nehmen wir mal ein, ein dreijähriges Arbeitsstipendium bestünde aus monatlichen Zahlungen für
den Lebensunterhalt von 2.000 €, plus einer Arbeitsmittelpauschale von 8.000 €. Ein solches Arbeitsstipendium
entspräche somit dem Wert von 80.000 €.
Teilen wir den Betrag 107.690.000 €, für den Der Schrei verhökert wurde, durch 80.000 €, so kommen wir zu dem
Schluß, daß davon etwa 1.346 dreijährige Arbeitstipendien für Künstler finanziert werden könnten.
Gehen wir weiter davon aus, daß lediglich ein Drittel dieser Weltrekordsumme für Kunstförderung hätte abgeführt
werden müssen, so bleiben noch immer knapp 450 dreijährige Arbeitsstipendien übrig. Weshalb gerade ein Drittel?
Weil das ungefähr der Anteil ist, den all die vielen kleinen Steuerzahler von ihrem Arbeitslohn abführen müssen.
Wären die Handelsbedingungen unserer Wirklichkeit
fair
, so würde das selbe auch für
Kunsthändler gelten.
Man stelle sich einmal vor, welche kulturellen Leistungen von 450 dreijährigen Arbeitsstipendien erbracht werden
könnten. Träumen wir davon, welcher kulturelle
Wertzuwachs
damit ermöglicht werden könnte.
Träumen wir von den unzähligen Impulsen, die damit gesetzt werden könnten. Träumen wir von einer Kultur des Friedens
und der Gerechtigkeit.
Aus der Traum. Willkommen zurück in der Wirklichkeit. Die Wirklichkeit sieht so aus, daß nichts, absolut nichts von
dieser traumhaften Weltrekordsumme in die Kunstförderung abgeführt werden mußte. Weshalb nicht? Wo bleibt hier die
soziale Verantwortung? Wo die Ethik? Wie kann es sein, daß der schamlosen Gier von Einzelpersonen kein Einhalt
geboten wird? Was können wir tun, um aus diesem Alptraum zu erwachen? Wie können wir eine traumhaft
faire
Wirklichkeit gestalten?
Auf der Suche nach Investitionsmöglichkeiten
, die das karmische Konto nicht
unnötigerweise belasten, greifen Kunstsammler
immer häufiger zu einer Alternative, die
ethisch korrekt ist: In lebende Künstler zu fairen
Bedingungen investieren. Denn es ist
allemal besser, selbst ein kleines Licht zu entzünden, als über die Dunkelheit zu klagen.
In den letzten Jahren haben sich die Bewegungen auf dem Kunstmarkt immer mehr in Richtung
zeitgenössischer Kunst
orientiert.
Das hat vielerlei Gründe. Unter anderem diese: Die alten Meister werden von deren Eigentümern gehütet wie deren
eigene Augäpfel. Kaum einer verkauft hier, es sei denn, aus zwingender Not heraus.
Für die Klassische Moderne gilt das auch immer mehr. Bleibt also nur, sich auf
zeitgenössische Kunst
hin zu orientieren. Ist es da nicht naheliegend, sich an die Künstler
direkt zu wenden?
Dies hat für den
Kunstsammler
einen weiteren Wert, der mit Geld nicht zu bezahlen ist: Die
emotionale Bindung an das Werk, das gratis mitgelieferte Hintergrundwissen um die Entstehung des Werkes, vielleicht
sogar die Freundschaft des Produzenten, des Urhebers, des Künstlers. Der
Wertzuwachs
an
Wohlgefühl kann nicht beziffert werden.
Und was ist ein sauberes Gewissen wert? Für wie viele Millionen ist das zu haben?
Wenn wir den Traum des
fair trade im Kunsthandel
verwirklichen wollen, bieten hierfür
Künstlergalerien
eine hervorragende Möglichkeit. Die Künstler selbst offerieren ihre
Werke, die
Kunstsammler
finden ein breit gefächertes Angebot vor. Preise können im
persönlichen Gespräch ausgelotet werden. Die Authentizität der Werke ist gesichert.
Eine win-win-win Situation für alle Beteiligten.
Fair
.
Einfach die beste Alternative.
2015/12/21
Text: Claudia Köhler
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